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Lange Zeit galt die Regel: Je weniger Kredit Sie aufnehmen, desto unabhängiger können Sie als Unternehmerin oder Unternehmer agieren. Bei den aktuell niedrigen Zinsen fällt es jedoch zugegebenermaßen immer schwerer, die Fahne der Bankenunabhängigkeit aufrecht zu halten.

Dennoch: Tun Sie’s!

Denn was viele Unternehmer*innen vergessen oder nicht wahrhaben wollen: Auch bei Niedrigzins handelt es sich immer noch um geliehenes Geld, das zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzuzahlen ist.

Die Minizinsen, die schaffen Sie vielleicht noch locker im Tagesgeschäft zu erwirtschaften. Doch woher soll das Geld zur späteren Kredittilgung kommen? Diese Zurückzahlungen können Sie nur durch Ertrags­verbesserungen leisten, wofür sinnigerweise der Kredit genutzt wurde.

Irrglaube: Geld steht unbefristet zur Verfügung

Das Denken in Niedrigzinsen führt tendenziell zum Glauben, dass dieses Geld Ihnen unbefristet zur Verfügung steht. Das wird vor allem dann problematisch, wenn Ihre Bankenabhängigkeit in immer krasserem Kontrast zu Ihrer Unternehmens­entwicklung steht, die leider nicht so rosig wie erwartet verläuft.

Diese Abhängigkeit von Banken (aber auch von Mitarbeitern und Lieferanten) waren beziehungsweise sind im unternehmerischen Alltag eine Zeit lang völlig unproblematisch. Ja, sie befeuern Ihre geschäftliche Entwicklung vielleicht sogar. In anderen Zeiten hingegen wirken sie desaströs.

Als Unternehmer*in müssen Sie dann Bedingungen akzeptieren, die Sie niemals wollten. Die „aufmüpfigen“ Stakeholder entscheiden, wie die künftige Zusammenarbeit zu gestalten ist. Deshalb:

Checken Sie regelmäßig Ihren Abhängigkeitsgrad

Grundsätzlich sind jegliche Abhängigkeiten – egal von welchem Stakeholder – zu vermeiden. Überprüfen Sie hierzu in regelmäßigen Zeitabständen (Quartal-Halbjahr-Jahr) Ihren aktuellen Abhängigkeitsgrad von allen beteiligten Stakeholdern. Stellen Sie Negativentwicklungen fest (Anstieg der Abhängigkeiten bei einem oder mehreren Stakeholdern), leiten Sie entsprechende Maßnahmen ein.

Einer der wichtigsten Stakeholder: Ihre Hausbank

Ihre Hausbank (oder mehrere Finanzinstitute) liefern Ihnen die Ware „Geld“ zu vereinbarten Bedingungen. Bezahlt wird mit zukünftigem Geld, das von Ihnen zu erwirtschaften ist.

Bei langfristigen Krediten erfolgt eine Vereinbarung, in welcher Form dieses geliehene Geld zurückbezahlt werden muss. Im kurzfristigen Bereich wird ein Kontokorrentrahmen zur Abwicklung der täglichen Geschäfte gegen Zins zur Verfügung gestellt. Einige Banken stellen Ihnen diesen Rahmen befristet (tendenziell für 12 Monate) beziehungsweise unbefristet zur Verfügung.

Bankenunabhaengigkeit - Zyklus der finanziellen Abhaengigkeit - Olaf Marticke

Herausfordernde Bedingungen

Die Bedingungen, unter denen Banken heute noch bereit sind, Kredite an Unternehmen zu vergeben, sind deutlich strenger als in der Vergangenheit. Das liegt nicht nur an der generellen Risikobewertung der Finanzinstitute, sondern auch an regulatorischen Anforderungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten.

Ein entscheidender Faktor ist die Bonität des Unternehmens. Banken bewerten systematisch, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kreditnehmer das geliehene Geld pünktlich zurückzahlen kann. Dies geschieht durch Rating-Verfahren, in denen Kennzahlen wie Eigenkapitalquote, Liquidität, Ertragskraft und Verschuldungsgrad eine Rolle spielen. Unternehmen mit schwacher Kapitalstruktur oder fehlender Wachstumsperspektive erhalten entweder höhere Zinsen oder gar keinen Kredit.

Ein weiterer Punkt sind die gesetzlichen Anforderungen an Banken. Durch Vorschriften wie Basel III und Basel IV müssen Banken für riskantere Kredite höhere Eigenkapitalrücklagen bilden. Das bedeutet für die Bank: Je unsicherer der Kreditnehmer eingeschätzt wird, desto teurer wird es für die Bank, diesen Kredit überhaupt zu vergeben. Die Folge? Banken verlangen höhere Zinsen oder lehnen Kreditanfragen komplett ab.

Zusätzlich ist die individuelle Beziehung zur Bank von Bedeutung. Unternehmen, die eine lange, vertrauensvolle Geschäftsbeziehung mit ihrer Hausbank pflegen und regelmäßig ihre betriebswirtschaftlichen Zahlen offenlegen, haben bessere Chancen auf eine Finanzierung. Unternehmen, die nur bei akutem Bedarf eine Bank kontaktieren, könnten es schwerer haben, günstige Konditionen zu erhalten.

Letztlich ist der Zinssatz eines Unternehmenskredits nicht nur eine Zahl – er spiegelt die gesamte Risikobewertung der Bank wider. Niedrige Zinsen gelten meist nur für Unternehmen mit exzellenter Bonität, solider Eigenkapitalstruktur und stabilen Umsätzen. Wer hingegen stark von Fremdkapital abhängig ist oder bereits Liquiditätsengpässe hatte, muss mit hohen Zinsen, strengen Auflagen oder der Forderung nach Sicherheiten rechnen.

Bankenunabhängigkeit: Mein Praxistipp für Sie

Lassen Sie sich von den niedrigen Zinssätzen nicht verführen. Das Geld ist geliehen und von Ihnen zum vertraglich fixierten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Sich rein darauf zu fokussieren, lediglich den niedrigen Zinssatz bedienen zu müssen, reicht nicht. Sie geraten sonst rasch in eine Spirale der Abhängig­keit, die schon so manchen Unternehmertraum zum Verhängnis geworden ist.

Linktipps

Risiken aus dem Ausfall von Krediten an deutsche Unternehmen: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) analysiert die potenziellen Risiken für Kreditinstitute durch steigende Kreditausfälle und betont die Bedeutung von ausreichenden Eigenkapitalpuffern.

Wie die Banken trotz Niedrigzinsen überleben können: In einem Gastbeitrag der Deutschen Bundesbank wird erläutert, wie Banken im Niedrigzinsumfeld agieren und welche Strategien sie verfolgen, um profitabel zu bleiben.

Niedrigzinspolitik: Der Wikipedia-Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Niedrigzinspolitik, ihre Ziele, Auswirkungen und die damit verbundenen Risiken für Wirtschaft und Finanzsystem.

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